Das Gegenteil einer Prinzessin

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Rolemodels für junge Frauen gibt es viele. Alle haben schöne Frisuren, machen sich Sorgen um ihr Aussehen, essen vegan und detox, sind hauptberuflich Bloggerinnen und posten Selfies von ihren neuen Outfits.

Stefanie Sargnagels Frisur kann man nur erahnen, denn die junge Wienerin trägt als Markenzeichen eine rote Mütze. Sie macht sich weniger Sorgen um ihr Aussehen, als Gedanken über ihre Körperausscheidungen. Sie trinkt am liebsten Bier und sie arbeitet in einem Callcenter.

Der „Falter“ brachte ein Interview mit der jungen Wienerin und ich ordnete Sargnagel eher dem Ressort Lifestyle oder Wiener Leben zu, als der Sparte Literatur. Doch dann schreibt „Die Zeit“ in der Buchbeilage über Sargnagels zweites Buch „Fitness“, sodass ich es in der Bücherei nicht mehr ignorieren konnte. Dann lese ich da halt mal rein, dachte ich.

Es war eher ein Verschlingen.

Stefanie Sargnagel postet mehrmals täglich auf Facebook Ereignisse oder Gedanken zu ihrem Leben, meist nur wenige Sätze. Diese Posts wurden dann im Buch zusammengefasst. Und interessanterweise funktioniert diese Kurztextsammlung als Roman über eine junge Wiener Frau, die halbtags im Callcenter arbeitet, schon ewig Kunst studiert und nicht weiterkommt, weil sie in ihrer Freizeit lieber durch die Stadt schlendern und sich dem ausgiebigen Konsum von Alkohol in zwielichtigen Tschocherln widmet.

Ihr Körper und seine Ausscheidungen sind wichtige Protagonisten. Das kann manchmal ein wenig grauslich werden. Aber Sargnagel verwendet es nicht, um einen kalkulieren Huch! Schockeffekt zu erzeugen, sondern, so habe ich den Eindruck, aus fast kindlicher Freunde am Grind. Das ist sehr erfrischend. Sehr ehrlich. Sehr witzig. Sehr wienerisch.

Und wenn man Stefanie Sargnagel als Frauentyp einzuordnen versucht, dann wäre sie das Gegenteil einer Prinzessin. Und das beruhigt mich.

Sie zeigt, dass junge Frauen nicht in der gelackten Schönheitswelt leben müssen. Sie dürfen ihren Mund aufmachen, ihr Meinung sagen, politisch sein. Sie dürfen trinken und ihr Geld selber verdienen, auch wenn ihr Job nicht so glamourös ist.

Ich folge Stefanie Sargnagel nun auf Facebook und schmunzle oft über ihre täglichen literarischen Miniaturen, oder besser ausgedrückt „Mödungen“.